LAG Thüringen
Der öffentliche Dienst muß schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch einladen, § 82 S. 2 SGB IX. Nur wenn der Bewerber offensichtlich ungeeignet ist, entfällt die Einladungspflicht. Die Eignung wird nach der Ausschreibung beurteilt. Eine nachträgliche Änderung der Kriterien wird nicht berücksichtigt. Der Bewerber erhielt eine Entschädigung, weil er wegen Behinderung benachteiligt worden war. Der Arbeitgeber hatte vergeblich versucht, die offensichtlich fehlende Eignung mit nachträglich geänderten Anforderungen zu begründen. LAG Thüringen, 20.12.2016, Az.: 1 Sa 102/16
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Das Bundesarbeitsgericht hat entscheiden, die Regelung eines Tarifvertrag (mehr Urlaub für Ältere) ist diskriminierend und damit unwirksam. Alle Arbeitnehmer haben damit Anspruch auf den Höchsturlaub von 30 Tagen (statt mindestens 23 lt. Tarifvertrag).
Benachteiligung wegen Alters kann zulässig sein, wenn es Sachgründe gibt und die Verhältnismäßigkeit eingehalten wird. Staffelung nach Betriebs-/Unternehmenszugehörigkeit wäre daher eher haltbar: Belohnung von Betriebstreue/Bindung an das Unternehmen als Sachgründe. BAG 18.10.2016, 9 AZR 123/16 Zum Urteil Bei Massenentlassungen haben Arbeitnehmer besonderen Schutz gem. § 17 Abs. 1 S. 1 KSchG. Allerdings werden bei der Berechnung, ob eine Massenentlassung vorliegt, nur Kündigungen innerhalb von 30 Tagen berücksichtigt. Bei Frauen in Elternzeit ist vor der Kündigung eine Zustimmung der zuständigen Stelle erforderlich, § 18 Abs. 1 BEEG. Die Kündigung einer Mutter erfolgte deswegen außerhalb der 30 Tagefrist. Es handelt sich um eine faktische Diskriminierung wegen des Geschlechts, da Frauen wesentlich häufiger Elternzeit nehmen als Männer. Es handelt sich damit um eine neutrale Vorschrift, die zur Benachteiligung wegen des Geschlechts führt (mittelbare Geschlechtsdiskriminierung). Daher ist § 17 KSchG auch auf derartige Fälle anwendbar, unabhängig von der 30 Tagefrist. Die bisherige gegenteilige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wurde damit aufgehoben.
Dadurch müssen auch diese Kündigungen der Agentur für Arbeit angezeigt werden und vor allem sind die Mütter bei den in der Regel erforderlichen Sozialplänen zu berücksichtigen. Zum Urteil: http://www.bundesverfassungsgericht.de/…/rk20160608_1bvr363… Gesetze: Kündigungsschutzgesetz (KSchG) § 17 Anzeigepflicht (1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er 1. in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer, 2. in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer, 3. in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden. (2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über 1. die Gründe für die geplanten Entlassungen, 2. die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, 3. die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, 4. den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, 5. die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer, 6. die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien. Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern. (3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten. (3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat. (4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet. (5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht 1. in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, 2. in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen, 3. Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind. Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz § 18 Kündigungsschutz (1) 1Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, nicht kündigen. 2Der Kündigungsschutz nach Satz 1 beginnt 1. frühestens acht Wochen vor Beginn einer Elternzeit bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes und 2. frühestens 14 Wochen vor Beginn einer Elternzeit zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes. 3Während der Elternzeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen. 4In besonderen Fällen kann ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklärt werden. 5Die Zulässigkeitserklärung erfolgt durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle. 6Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Satzes 4 erlassen. (2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen 1. während der Elternzeit bei demselben Arbeitgeber Teilzeitarbeit leisten oder 2. ohne Elternzeit in Anspruch zu nehmen, Teilzeitarbeit leisten und Anspruch auf Elterngeld nach § 1 während des Zeitraums nach § 4 Absatz 1 Satz 1 und 3 haben. Schadensersatz für "junges dynamisches Team" und "Junior Consultant" in Stellenausschreibung
Bundesarbeitsgericht (11.8.2016, 8 AZR 406/14): "junges dynamisches Team" ist Indiz für Diskriminierung, "Junior Consultant" ist sehr bedenklich (wurde nicht entschieden). Wichtig: Bislang verlangte das BAG eine "ernsthafte Bewerbung". Nunmehr reicht die formelle Bewerbung, unabhängig davon, ob diese wirklich die Stelle antreten wollen. Auch die Ablehnung einer bloß formalen Bewerbung kann Schadensersatz auslösen. Allenfalls nach Treu und Glauben könnte der Anspruch ausgeschlossen sein (Rn. 44). Das Verfahren wird an die Vorinstanz zurückverwiesen. Zum Urteil Das Gesetz soll Lohngdiskriminierung wegen des Geschlechts verhindern. Gleiche/gleichwertige Tätigkeit von Männern und Frauen soll gleich bezahlt werden.
Besonders wichtig ist der inidividueller Auskunftsanspruch, § 10. Allerdings nur in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten, § 12. Allerdings dürfen die Informationen nur für Verfahren nach diesem Gesetz genutzt werden. Soll damit ein Entschädigungsanspruch wegen Geschlechtsdiskriminierung ausgeschlossen werden? Das dürfte kaum möglich sein. Von den zusätzlichen Lohnbestandteilen dürfen nur zwei abgefragt werden. Was das soll ist mir unklar. Warum nicht den Gesamtlohn mit allen Zusätzen abfragen? Bei Prüfung der Gleichwertigkeit erfolgt keine Prüfung über verschiedene Berufsgruppen (erhebliche EInschränkung der Prüfung). Entwurf des § 10 Individueller Auskunftsanspruch (1) Zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots im Sinne dieses Gesetzes haben Beschäftigte einen Auskunftsanspruch nach Maßgabe der §§ 11 bis 16. Dazu haben die Beschäftigten in zumutbarer Weise eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit (Vergleichstätigkeit) zu benennen. Sie können Auskunft zu dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt nach § 5 Absatz 1 und zu bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen verlangen. (2) Das Auskunftsverlangen hat in Textform zu erfolgen. Vor Ablauf von zwei Jahren nach Einreichen des letzten Auskunftsverlangens können Beschäftigte nur dann erneut Auskunft verlangen, wenn sie darlegen, dass sich die Voraussetzungen wesentlich verändert haben. (3) Das Auskunftsverlangen ist mit der Antwort nach Maßgabe der §§ 11 bis 16 erfüllt. (4) Sonstige Auskunftsansprüche bleiben von diesem Gesetz unberührt. Zum Volltext des Gesetzesentwurfs Lohndiskriminierung von Frauen: Auskunftsanspruch durch neues Gesetz geplant.
Dies wäre ein wichtiger Schritt. Bislang müssen die Anspruchsteller selbst die Informationen besorgen. Was meist nicht gelingt, weil die Kollegen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Welt Artikel Diskriminierung wegen NPD Mitgliedschaft bei Stipendienvergabe? Klage abgewiesen.
Im übrigen: Diskriminierung wegen Weltanschauung ist nur im Arbeitsrecht verboten. NPD Vorsitzender Vogt hat seinerzeit Klage wegen Verweigerung eines Hotelzimmers auch verloren. Hierzu auch meine damalige - zutreffende - Einschätzung gegenüber BBC: http://www.bbc.com/news/10365740 http://www.lto.de/…/bgh-i-zr-6315-npd-anwalt-klage-wegen-d…/ Überqualifizierung kann Nichteinladung Schwerbehinderter zu Vorstellungsgespräch im öffentlichen Dienst rechtfertigen.
Grundsätzlich ist die Nichteinladung Indiz für Diskriminierung wegen Behinderung. BAG 20.01.2016, Az.: 194/14 Rn. 27 ff. |
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